Schülerbericht aus Poltawa

Nachdem der Schulaustausch von Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt mit der ukrainischen Partnerstadt Poltawa im letzten Jahr aufgrund der instabilen Situation vor Ort einmal aussetzen musste, durften 2015 wieder 11 Schüler des Immanuel-Kant-Gymnasiums in die Ukraine reisen. Unter der Führung von Frau Rießler und Frau Postnikova konnten wir uns vom 18. bis 25. September die Ukraine von innen anschauen, die Traditionen, die Menschen und ihre Kultur kennenlernen und unzählige, faszinierende Eindrücke sammeln.

Einer der allgegenwärtigsten, einprägsamsten Eindrücke war für uns der ungewohnte Umgang mit Patriotismus in der Ukraine, der nicht nur in den Medien, sondern auch im Straßenbild eine zentrale Rolle spielt. Gleich zu Beginn des Austausches durften wir an einer riesigen Parade teilnehmen, bei der tausende in Nationaltracht gekleidete Menschen mit Fahnen durch die Stadt zogen und Heimatlieder sangen. Doch auch an gewöhnlichen Wochentagen kleiden sich viele Ukrainer in den Nationalfarben und drücken die Liebe zu ihrer Heimat durch patriotische Aufschriften auf Shirts und Jacken aus. Die Texte in der dortigen Pop-Musik drehen sich ebenfalls besonders um die Schönheit des Heimatlandes. Unsere Austauschpartner erklärten uns, dass dies in derartigem Ausmaß jedoch erst im Laufe der letzten Jahre als Reaktion auf den Konflikt mit Russland entstanden sei. Davon, dass sich das Land aktuell im Krieg befindet, bekam man allerdings im normalen Alltagsleben kaum etwas mit.

Der größte und offensichtlichste Kontrast zu Deutschland besteht wohl in der weit verbreiteten Armut. Der Durchschnittslohn liegt bei umgerechnet etwa 220 €, die Währung Hrywnja verliert rapide an Wert und die meisten Menschen müssen 2 oder 3 Jobs annehmen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Gerade aufgrund dieser schwierigen Situation war die grenzenlose Gastfreundschaft der Ukrainer so beeindruckend. Unsere Gastfamilien gaben wirklich alles, um uns einen möglichst angenehmen und spannenden Aufenthalt zu ermöglichen. Natürlich nicht nur finanziell, sondern vor allem menschlich: Wir hatten zu jedem Zeitpunkt das Gefühl nicht nur willkommen, sondern sogar hocherwünscht zu sein. Dank dieser Herzlichkeit entstanden wunderbar schnell neue Freundschaften, die hoffentlich auch nach dem Gegenbesuch im Oktober noch lange halten werden.

Als wir am Ende der Woche übernächtigt und etwas traurig von Kiew mit dem Flugzeug in Richtung Deutschland abhoben, dachten wir etwas wehmütig an die vergangenen Tage zurück. Es war ein schöner, ereignisreicher Schulaustausch, der sein Hauptziel nicht verfehlt hatte: Die zwei Länder Deutschland und Ukraine einander ein Stückchen näher zu bringen.

Tobias Schultz

poltawa