Am Donnerstagnachmittag, den 21. November 2019, fanden wir, Schüler der elften Klasse am Immanuel-Kant Gymnasium in Leinfelden-Echterdingen, uns an der Gedenkstätte am US-Airfield in Echterdingen zusammen. Die Gedenkfeier erinnert an die vor genau 75 Jahren angekommenen 600 jüdischen Häftlinge, von denen mindestens 119 im KZ in Echterdingen umkamen. Wir hatten die Aufgabe übernommen, einen Beitrag zur Gedenkfeier beizusteuern. Abgesehen von uns waren einige Vertreter aus Politik und Gesellschaft anwesend, wie unser Bürgermeister von Leinfelden-Echterdingen, Dr. Carl-Gustav Kalbfell, und ein Vorstandsmitglied der israelitischen Religionsgemeinschaft, Susanne Jakubowski, und auch viele Bürger aus LE und Filderstadt.
Die Gedenkfeier diente nicht nur der Erinnerung an die schrecklichen Leiden der Häftlinge, die nie vergessen werden dürfen, sondern auch dazu, sich der noch bestehenden Gefahr bewusst zu sein, dass auch heute, selbst nach so langer Zeit, Rassismus und Antisemitismus verbreitet sind, wie Herr Dr. Kalbfell in seiner Rede deutlich machte. Auch Frau Jakubowski sprach über das Gebot „Liebe deinen nächsten“ durch das für Rassismus kein Platz sei.
Als wir Schüler uns am Anfang des Schuljahres entschlossen, an der Gedenkfeier mitzuwirken, und uns über die Geschichte des KZ und der Häftlinge informierten, schockierte uns zunächst der Fakt, dass so etwas vor vielen Jahren fast unmittelbar vor unserer Haustür geschehen war. Wir werden zwar oft mit den Geschehnissen im Nationalsozialismus konfrontiert und hatten auch viel über die schrecklichen Schicksale und ihre Anzahl gehört, doch konnten wir uns nie etwas unter diesen Zahlen vorstellen. Eben dies wurde zu unserer Aufgabe bei der Gedenkfeier: Den vielen Zahlen ein Gesicht zu verleihen.
Wir verfassten daher von sechs verschieden Häftlingen Biographien und versuchten somit, den „vielen Millionen toten“ Menschen ein Gesicht zu verschaffen. In den Biographien ging es nicht nur um die schrecklichen Dinge, die diesen Menschen widerfahren waren, denn dieses Leid teilten alle Häftlinge mit ihnen. Wir sprachen vielmehr über ihr Leben davor, über ihre Träume und Ziele, über ihre Familien und was sie und ihre Familien durch die Flucht vor den Nazis alles verloren, egal ob Beruf, Ehegatten, Eltern oder Kinder. Im Anschluss darauf, stellten wir drei Kerzen an das Denkmal und darum herum legten wir, nach jüdischer Tradition, sechs große Steine, jeweils beschriftet mit den Namen der Personen über die wir etwas erzählt hatten, sowie einige kleine Steine, symbolisch für alle anderen Opfer des Holocausts.
Durch diese Gedenkfeier bekamen wir außerhalb unseres Geschichtsunterrichts neue Einblicke in den Nationalsozialismus, seine gravierenden Folgen und all die Leben, die ausgelöscht wurden. Unsere Aufgabe ist es nun, dieses Geschehnis nie zu vergessen und dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder vorkommt. Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind keine Vergangenheit, sie sind allgegenwärtig und nun sind wir an der Reihe, aus der Geschichte zu lernen und all diese Dinge aus der Welt zu schaffen.
Marie Murilhas Buchheim